Nach den Erfahrungen, die ich nach der vierwöchigen Wanderung von München nach Venedig quer über die Alpen gemacht hatte, schien ein nächster folgerichtiger Schritt der Himalaya in Nepal zu sein.
Einmal die 8000-er zu sehen, in ihre Nähe zu kommen, ehrfürchtig vor dem Mount Everest zu stehen, das fühlte sich gut an. Dazu kam, dass ich - 17jährig - schon eimal auf den Weg gemacht hatte nach Kathmandu (1969); damals wäre es auf dem Landweg noch möglich gewesen. Ich bin damals nicht weiter als nach Istanbul gekommen, ich hatte nur ein Personalausweis und keinen Reisepass dabei. Aber was hätte ich wohl getan, wenn ich es bis Kathmandu geschafft hätte?

Darauf gibt es natürlich keine wirkliche Antwort. Viele waren damals auf dem Weg zu den hohen Schneebergen, eine Art Kinderkreuzzug, um über den Materialismus des Westens hinauszugelangen. Drogen wie Haschisch und Opium und auch das neu-entdeckte LSD unterstützten zunächst scheinbar diesen spirituellen Aufbruch. Bald wurde die teuflische Fratze dahinter sichtbar und viele blieben auf der Strecke, gebrochen an Leib und Seele. Genau 50 Jahre später flog ich mit einem Freund in knapp 14 Stunden mit Zwischenaufenthalt in einem arabischen Land nach Nepal um das Anapurna Massiv zu umrunden, zu Fuß, versteht sich.

Ein Jahr vorher war ich mit meiner Frau Wurtila und meiner Tochter Geraldine zu einer geführten Reise ins Kathmandu Valley aufgebrochen. Ein halbes Jahr danach war ich mit meinem Sohn Gawan Richtung Everest Basecamp unterwegs gewesen. Bei der ersten Reise konnte ich die gigantischen Eisriesen von Pokhara aus bestaunen, allerdings am vorletzten Tag, vorher war es zu diesig gewesen. Bei dem Trek mit meinem Sohn war ich in 5100 m Höhe höhenkrank geworden, - ein einschneidendes Erlebnis. Ich konnte buchstäblich keinen Schritt vor den andern setzen, es ging einfach nicht mehr. Lange war ich auf einer Hochebene an einer Stelle wie gebannt verharrt, wartend auf das bisschen Kraft, die mich hätte weiterlaufen lassen. Erst nach vielen Stunden konnte ich mich in das zwei Stunden entfernte Camp schleppen, bevor ich dann nach einer schlaflosen Nacht Abstieg bis Namche Bazar.
Dieser Erfahrung eingedenk wollte ich dies Mal von ganz unten und ganz langsam bis zu dem Thorongo-Lo Pass in 5400 m Höhe aufsteigen. Es war wie im Traum,, als Anapruna 2 erstmalig bei Sonnenaufgan vor uns wie eine überdimensionale Göttin erschien. Zwar stellte sich bald darauf Schlaf und Appetitlosigkeit ein und auch Schwäche und Kopfweh, aber das wollte ich nicht wahrhaben.
Auf der letzen Station vor dem Pass war es dann soweit. In der Nacht fing meine Atmung an auszusetzen und ich spürte wenn nicht ein Wunder geschähe, würde in absehbarer Zeit mein letztes Stündlein angebrochen sein. Mitten tief in der Nacht stolperte ich draußen umher und versuchte Hilfe zu finden. In letzter Verzweiflung klopfte ich an eine Hütte, nach einer Weile öffnete sich die Tür - ich stammelte irgendwas, dass ich keine Luft mehr bekäme - da hatte er aus seinem Rucksack auch schon ein Medikament herausgezogen (Diamox) und verabreichte mir zwei Dosen davon. Tatsächlich war das DIE Hilfe in letzter Not. Am nächsten Tag Abstieg - tausend Höhenmeter hinunter.
Eine einschneidende Grenzerfahrung fürwahr, aber ich war nochmal mit dem Leben davon gekommen.
Es ist schwer einzusehen, dass es objektive Grenzen gibt die durch keine noch so große Willensanstrengungen zu überwinden sind. Die Frage ob ich es nochmal versuchen sollte, mit mehr Zeit, muss ich offen lassen.
