Wieso braucht der Mensch eigentlich einen Gottesdienst, um in den Genuss einer Verbindung mit dem Ursprung der Menschheit zu kommen? Genügt da nicht der Gang in die Freie Natur? Oder sind kontrollierte Drogenexperimente nicht doch auch ein Weg in die geistigen Welten?
Die Frage nach dem tieferen Wesen des Rituals, des Kultus, des Gottesdienstes fing an mich zu durchdringen.

Die Empfindung, dass ein Ritual ein eigentlich unnötiger Zeitaufwand, ein merkwürdig in die Länge gezogener Vorgang sei, der von einem klar durchschaubaren Erkenntnisprozess ersetzt werden könne und sollte, schien zunächst unüberwindbar.
Welche Bedeutung haben die ständigen Gesänge aus dem Liederbuch? Warum verschiedene Körperhaltungen, wie Stehen oder Knien, Kreuzeszeichen? Und vor allem, warum muss das alles immer wieder mit geringen Abweichungen wiederholt werden? Das schien mir äusserst verdächtig! Sollte da lediglich durch eine Art Selbstsuggestion etwas herbeigeredet werden, das durch keinen echten Erkenntnisprozess würde bestätigt werden können?

Durch die Begegnung mit dem Werk von Romano Guardini entstand in mir eine ahnungsvolle Frage: Könnte das Ritual eine MENSCHENBILDUNGSAUFGABE haben? Eine Hilfe war die Vorstellung aus der Anthroposophie, dass die menschliche Wesenheit aus verschiedenen Gliedern aufgebaut ist und sich diese Wesensglieder ganz unterschiedlich zueinander konstellieren können. Wird eine besondere Art einer solchen Konstellation begünstigt, angeregt durch eine gottedienstliche Handlung? Zumindest konnte ich eine solche Frage immerhin in Erwägung ziehen und mit der Zeit immer ernster nehmen und tiefer untersuchen.
Zu Hilfe kam mir die "Entdeckung", dass ein christlicher Gottesdienst sich in vier aufeinander aufbauenden Schritten darstellen lässt, die sich ohne grosse Mühe in ein Verhältnis setzen lassen zu den beschriebenen vier Wesensgliedern des Menschen aus der Anthroposophie.
"Die Liturgie ist Selbstausdruck des Menschen, aber des Menschen, wie er sein soll". ( Aus "Liturgie und liturgische Bildung" (Guardini) )Eine solche Hypothese wollte ich gründlich überprüfen und den härtesten Tests aussetzen.

Es kann kaum bestritten werden, dass insbesondere in der Kirchengeschichte Beispiele zuhauf aufzufinden sind, die auf Machtmissbrauch und Manipulation durch den kirchlichen Kultus hindeuten. In eine solche womöglich verdeckte Falle wollte ich nicht hineinlaufen. Da wurde ich dann doch dankbar für den gründlichen Atheismus, den ich mir in meiner Jugendzeit - auch dank der Einstellung meiner Eltern - angeeignet hatte.